Heinrich Strieffler

Der Wein - Von der Rebe bis zum Glase, 1902

Die Stirnwand des Ateliers ziert heute das 1902 entstandene Monumentalgemälde „Der Wein – von der Rebe bis zum Glase“. Dabei handelt es sich um eine Auftragsarbeit für den Weinchemiker Dr. Karl Lampert aus Edenkoben. Dieser hatte detaillierte Wünsche bezüglich der Motive: Sein Vater und er sollten im Mittelpunkt stehen, die goldene Uhrkette und der Brillantring des Vaters durften als Attribute seines gesellschaftlichen Ranges nicht fehlen, ebenso wenig wie die Tochter mit dem Wein für die Haus­herrn und der Hund der Familie zu Füßen des Seniorchefs.
Strieffler fügte diese Vorgaben mit Einzelszenen des Winzeralltags und Landschafts­motiven der Südpfalz zu einer vielschichtigen, idealtypischen Komposition zusammen. Die zen­tra­len Bildelemente – z. B. die Kelter, das Ochsengespann oder der am Haus empor­rankende Wein – prägen in ihrer naturalistischen Gestaltung und durch die sorgfältig aufein­ander abgestimmte Farbigkeit die Gesamtdarstellung.
In der linken Bildhälfte lenkt Strieffler den Blick in einen Winzerhof. Vor der Kulisse des spitzgiebeligen Fachwerkhauses entfaltet sich der Arbeitsalltag der Winzer. Die beiden Herren des Hauses, Vater und Sohn Lampert, sitzen bei einer Weinprobe zusammen. Hinter ihnen steht der Kellermeister, der prüfend das Weinglas gegen das Licht hält. Im Mittelgrund öffnet sich das Presshaus und gewährt Einblick in zentrale Arbeitsabläufe der Weinherstellung: Helfer bedienen mittels einer alten Baumkelter eine doppelseitige Presse.
Jenseits der abschließenden Hofmauer verdeutlichen der imposante Renaissance­giebel eines Bürgerhauses, der aus Sandsteinen gemauerte Kirchturm und ein weiteres Fachwerkhaus die Einbettung des Gehöfts in einen Winzerort. Während das Architekturensemble keinem realen Vorbild folgt, kann die sie umgebende Landschaft genau identifiziert werden. Oberhalb des Ochsengespanns liegt umgeben von Weinbergen Schloss Villa Ludwigshöhe, über dem sich die Ruine der Rietburg erhebt. Folgt man der Hügellinie nach rechts – gen Norden, zeigt sich dort das Friedensdenkmal, erbaut 1899 in Erinnerung an den Krieg von 1870/71. Weiter nördlich wird unter den Zweigen eines Apfelbaums das Hambacher Schloss sichtbar.
Vor diesem Landschaftspanorama und der dörflichen Architektur schildert Heinrich Strieffler den Winzeralltag vom Wein im Glase (links) bis zum Anbau der Trauben und zur Weinlese (rechts). Als Bindeglied fungiert das Ochsengespann mit der Mostlotte, aus der gerade die Maische in den Bottich abgestochen wird. In der rechten Bildhälfte zeigt Heinrich Strieffler die Erntehelfer, die auf der Dorfstraße hinaus in den Weinberg ziehen. Im Vordergrund nutzt er die Figur der jungen Erntehelferin, die mit ihrem Kind an der Hand und den Deputatkorb auf dem Kopf balancierend – ihrem Anteil an der Ernte – nach getaner Arbeit ins Dorf zurückgeht.